Ich selbst wurde von meiner Häsin Nelly aus dem Tierheim zwei Tage nach ihrer Ankunft von blinden Passagieren überrascht. Das Tierheim hat mich nicht darüber informiert, dass eine Trächtigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Da ich nie Babys haben wollte, habe ich mich auch nicht mit dem Thema Aufzucht der Jungen, mögliche Probleme und Komplikationen etc. auseinander gesetzt und wurde mit der plötzlichen Verantwortung überrumpelt. Ich war damals sehr erleichtert, dass ich im Internet und in diversen Foren schnelle Hilfe und ausführliche Informationen gefunden habe.

Falls Sie durch unglückliche Gegebenheiten oder durch Aufnahme eines Notfalltieres auch mit der Aufzucht von Kaninchen konfrontiert werden, biete ich Ihnen nützliche Hinweise zur Aufzucht von Jungen und zur Handaufzucht.

Sollte Ihre Häsin mit einem unkastrierten Rammler zusammen leben, dann ist dieser sofort (möglichst vor der Geburt) von der Häsin zu trennen. Bereits kurz nach Geburt kann die Häsin wieder aufnehmen und es steht der nächste Unfallwurf ins Haus. Der Rammler muss das Gehege verlassen und ohne Sicht- und Geruchskontakt von der Häsin untergebracht werden. Idealerweise wird er sofort kastriert und wartet seine 6-wöchige Kastrationsquarantäne ab. Sollte eine trächtige Häsin mit anderen Kaninchen zusammen leben, dann sind diese ebenfalls aus dem Gehege zu nehmen und woanders unterzubringen. Es gibt bei Kaninchen keinen Welpenschutz und die anderen Kaninchen könnten die Jungen schwer verletzen oder gar töten und die Mutter bei der Jungenaufzucht stören. Eine Aufzucht erfordert sehr viel Energie und ist sehr stressreich für die Kaninchenmutter, sodass eine bewusste Vermehrung unbedingt vermieden werden sollte.

Das Nest

Die Tragezeit bei Kaninchen liegt zwischen 28 und 33 Tagen. Die Häsin baut das Nest ca. 2 bis 3 Tage vor der Geburt. Manche Häsinnen bauen das Nest erst direkt vor der Geburt. Sie sucht sich hierfür ein geeignetes Plätzchen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, bieten Sie der Häsin eine Wurfkiste an. Diese hat den Vorteil, dass sie über einen Deckel verfügt, der von oben zu öffnen ist. Meine Häsin hat ihr Nest in ein Häuschen gebaut. Für die tägliche Nestkontrolle musste ich immer das Häuschen entfernen. Weil das Nest weich und in ständiger Bewegung ist, hatte ich immer Probleme, das Häuschen danach wieder korrekt und sicher zurückzustellen.

Für den Nestbau verwendet die Häsin als Nistmaterial neben Stroh und Heu auch Einstreu. Sie sammelt es im Mund und trägt alles zum Nest. Danach formt sie eine Art Kuhle, die sie zum Schluss mit ihrer Bauchwolle auspolstert.

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Wenn die Häsin beginnt, ein Nest zu bauen, bieten Sie unbedingt reichlich Nistmaterial an.

Die Geburt

Die Geburt findet zu einer Zeit statt, in der die Häsin ihre Ruhe hat und durch niemanden gestört wird. Dies ist meist nachts oder in den frühen Morgenstunden der Fall. Eine Häsin kann zwischen 4 und 10 Jungen zur Welt bringen, im Schnitt sind es jedoch 5 bis 6. Direkt nach der Geburt werden die Babys von der Mutter abgenabelt und abgeleckt, um die Kleinen zu säubern und zu trocknen. Der Kreislauf der Babys wird angeregt und eine Bindung zwischen den Babys und der Mutter aufgebaut. Die Nachgeburt wird von der Mutter gefressen, um keine Fressfeinde anzulocken und das Nest sauber zu halten.

Kaninchenkinder sind Nesthocker. Sie werden mit geschlossenen Augen und vollkommen nackt geboren. Da die kleinen Racker ihre Körpertemperatur noch nicht selbst halten können, ist die Wärme des geschützten Nestes und das gegenseitige Wärmen durch die Geschwister besonders wichtig. Die Häsinnen folgen ihrem Instinkt und buddeln das Nest zu, um es vor Fressfeinden zu schützen. Desweiteren ignoriert die Kaninchenmutter das Nest tagsüber und hält sich weit vom Nest entfern auf. Dieses Verhalten sollte allerdings nicht damit verwechselt werden, dass die Mutter die Babys nicht versorgt.

Führen Sie am nächsten Morgen eine Nestkontrolle durch und entfernen Sie gegebenenfalls tote Tiere oder Reste der Nachgeburt.

Die Häsin säugt die Babys erst bis zu 24 Stunden nach der Geburt das erste Mal. Die Babys werden ein- bis zweimal am Tag gesäugt, in der Regel nachts oder in den frühen Morgenstunden. Nach dem Säugen leckt die Mutter die Bäuche ihrer Jungen, um deren Verdauung anzuregen. Aus diesem Grund ist eine tägliche morgendliche Nestkontrolle ratsam.

Die Nestkontrolle

Eine tägliche morgendliche Nestkontrolle ist unerlässlich, um die Entwicklung der Kleinen zu beobachten und bei Problemen rechtzeitig einzuschreiten.

Zunächst müssen die gewaschenen Hände gründlich mit benutzter Einstreu der Mutter eingerieben werden. Öffnen Sie nun vorsichtig das Nest und prüfen Sie, ob die Kleinen runde, gefüllte, glatte Bäuche haben. Berühren Sie die Babys so wenig und so kurz wie möglich. Entfernen Sie gegebenenfalls tote Babys oder die Nachgeburt. Nach erfolgter Nestkontrolle werden die Kinder wieder mit der Wolle der Mutter abgedeckt und das Nest verschlossen.

Die Entwicklung

Ab dem 3. Tag treten die ersten Fellspitzen aus der Haut und die spätere Fellzeichnung wird sichtbar.

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Mit 10 bis 12 Tagen öffnen die Babys erstmals ihre Augen und auch das Fell ist nun komplett ausgebildet.

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Mit ca. 2 bis 3 Wochen beginnen die Kleinen das geschützte Nest zu verlassen und erkunden neugierig die Umgebung. Besonders aufgeweckte Kerlchen sind natürlich auch schon eher außerhalb des Nestes unterwegs.

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Ab 3 bis 4 Wochen unternehmen die kleinen Jungtiere immer längere Ausflüge und spielen mit ihren Geschwistern. Nun wird interessiert an Heu und Stroh oder aber auch schon mal an Frischfutter geknabbert. Sie trinken nur noch wenig Milch bei der Mutter. Bei kleinen Würfen wird schon während dieser Zeit abgestillt.

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Mit etwa 6 bis 8 Wochen sind die Jungtiere selbstständig, sollten jedoch trotzdem bis zur 8. oder bis 10. Woche bei der Mutter verbleiben. Sie fressen den Blinddarmkot ihrer Mutter, um eine gesunde Darmflora aufzubauen. Außerdem lernen sie nun das Sozialverhalten. Mit ca. 8 Wochen lässt sich mit großer Sicherheit das Geschlecht der Kaninchen feststellen. Es ist ratsam, die Tiere einem kaninchenerfahrenen Tierarzt vorzustellen, der eine Allgemeinuntersuchung und Geschlechtsbestimmung durchführt. Gleichzeitig sollten sie gegen Myxomatose und RHD geimpft werden, was ab der 8. Woche möglich ist.

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Da die männlichen Tiere mit 12 Wochen geschlechtsreif werden, ist eine Frühkastration anzuraten. Diese ist zwischen der 8. und 12. Woche möglich. Zwischen Impfung und Kastration sollten ca. 2 Wochen liegen, sodass der ideale Zeitpunkt für die Frühkastration der Rammler bei 10 bis 11 Wochen liegt. Eine zu knapp vor der 12. Lebenswoche durchgeführte Kastration birgt das Risiko, dass der Rammler bereits geschlechtsreif war.

Umweltbedingungen für die Jungenaufzucht

Der Standort des Geheges und des Nestes darf nicht verändert werden. Andernfalls gefährden Sie unter Umständen den Wurf. Die Mutter könnte das Nest abstoßen und die Versorgung einstellen. Der Häsin ist viel Ruhe zu gönnen. Stören Sie sie so wenig wie möglich mit Ihrer Anwesenheit. Andere Kaninchen sind ohne Geruchs- und Sichtkontakt unter zu bringen. Der Kaninchenmutter ist ausreichend Platz zur Verfügung zu stellen, damit sie sich dem Nest fern halten und sich vor den Jungen zurück ziehen kann. Säubern Sie möglichst das Gehege und die Toilette gründlich vor der Geburt. Nach der Geburt empfehle ich, möglichst 2 bis 3 Tage mit der Reinigung zu warten, um das zarte Band zwischen Mutter und den Kindern nicht zu gefährden. Das Nest darf nicht verändert oder deplatziert werden. Reinigen Sie lediglich die Toilette und versuchen Sie, so wenig wie möglich Unruhe zu verbreiten.

Ernährung der Mutter während der Trächtigkeit und Jungenaufzucht

Eine Trächtigkeit, sowie die Jungenaufzucht sind für eine Häsin sehr anstrengend und risikoreich. Darum sollten Sie einige wichtige Dinge bei der Ernährung in dieser Zeit beachten. Während der Trächtigkeit verfüttern Sie bitte keine Pflanzen und Kräuter, die frühzeitige Wehen auslösen könnten oder die Milchbildung reduzieren. Achten Sie darauf, dass die zur Unterstützung der Milchbildung kalziumreiche Sorten verfüttern. Hier bietet sich vor allem Dill, Möhrenkraut oder Fenchel in frischer Form an. Desweiteren sollte die Häsin energiereich gefüttert werden. Wurzelgemüse, wie Karotten, Mairüben, Steckrübe oder Knollensellerie bietet sich an.

Notfall

Gerade sehr junge Häsinnen sind mit dem Nestbau, der Geburt und der Jungenaufzucht völlig überfordert und wissen nicht, was zu tun ist. Oft wird gar kein Nest gebaut oder die Jungen überall im Gehege verteilt geboren.

Die Mutter zerstört das Nest und baut kein neues. Sie buddelt die Kleinen aus dem Nest. Sie zeigt sogar aggressives Verhalten gegenüber den Babys oder verletzt sie.

Die Bäuche der Kleinen sind morgens faltig, flach und eingefallen. Hierbei bitte nicht sofort eingreifen, sondern abends nochmals schauen und die Mutter tagsüber vollkommen in Ruhe lassen. Vielleicht wurde sie gestört, als sie säugen wollte. Sind die Bäuche abends immer noch faltig und flach, dann sollten Sie sofort einschreiten.

Die Mutter hat keine Milch ausgebildet und kann die Kaninchenbabys nicht stillen.

Die Mutter ist schwer krank, schwach oder stirbt gar bei der Geburt.

In solchen Fällen muss schnell gehandelt werden, denn die Mutter ist nicht in der Lage, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Sie müssen sich der Kleinen annehmen und die Aufzucht für die Mutter übernehmen. Lesen Sie weiter in der Rubrik „Handaufzucht“.