Mein Weg des Leidens….

Ich war klein, jung und unerfahren. Eingepfercht in kleinen Gehegen saß ich da. Mit einer Horde Geschwistern um mich herum und meine geschwächte Mutter mittendrin. Eines Tages rissen mich und meine Brüder und Schwestern große Hände aus der gewohnten Umgebung. Wieder packte man uns in kleine Boxen und luden uns in einen großen Transporter. Verängstigt drückten wir uns aneinander, hatten Angst und waren unwissend. Irgendwann öffneten sich die Türen und wir wurden rausgeholt. Man setzte uns wieder in ein Gehege. Für uns alle war es viel zu klein. Die Düfte vieler anderer Artgenossen hafteten an den Glaswenden, an denen sich jetzt kleine Kinder ihre Nase platt drückten. Sie hämmerten gegen die Scheibe und mir klingelten die Ohren. Völlig panisch drückte ich mich an meine Schwester, die anfing mich liebevoll zu putzen. Ich genoss ihre Wärme, die Geborgenheit. Ich hielt mich an das Vertraute, was sie mir gab und einen Moment lang konnte ich alles um mich herum ausblenden. Aber im nächsten Moment durchwühlten wieder diese großen Hände das Gehege und ich flüchtete mich ins Häuschen. Die Tage vergingen und das Trockenfutter wurde mir von Zeit zu Zeit widerlicher. Wir wurden immer weniger. Leute kamen vor bei und steckten uns in Pappkartons und nahmen uns mit. Irgendwann kam der Tag an dem ich alleine in diesem Gehege saß und mich elendig langweilte.

Eine quitschige Stimme vor mir riss mich aus meinen Gedanken. Es war ein kleines Mädchen, welches mit ihren Fingern auf mich zeigte: „Das will ich haben, das will ich haben!“ Wieder fassten mich die Hände so plötzlich, dass ich zu Tode erschrak. Man schubste mich in einen Karton und auf einmal war alles dunkel. Ich bekam Panik. Zitternd saß ich in der Ecke und bangte um mein Leben. Was würde man mit mir tun? Wo würde ich hinkommen? Es folgte eine weitere Fahrt mit einem Auto, aber glücklicherweise endete diese früher als die letzte.

Man zog mich aus der Dunkelheit und hockte mich in einen kleinen Gitterkäfig. Alles war so ungewohnt, neu und auch unheimlich. Vorsichtig setzte ich eine Pfote vor die andere während starre Menschenaugen jede meiner Bewegung verfolgten. Es dauerte keine fünf Minuten, da öffnete sich ein weiteres Mal die Klappe und das Mädchen umgriff meinen kleinen Körper ungeschickt mit ihren patschigen Händen. „Hallo Hoppel. Du wirst mein kleiner Hoppel sein, hörst du? Wir werden viel Spaß zusammen haben.“ Ich wusste nicht so ganz was ich davon halten sollte. Sie zog mir eine seltsame Leine an und schleifte mich durchs Zimmer. Ich hatte Angst, wollte flüchten aber die Leine riss mich immer wieder grob zurück. Auf dem glatten Boden rutschte ich immer wieder aus, aber das Mädchen zog mich beharrlich weiter. Nach einer vollen Stunde erlöste sie mich von meinen Leiden und setzte mich wieder in den Käfig zurück. Ich hatte Hunger, Durst und war total erschöpft. Als erstes stürzte ich mich auf eine Nippeltränke aber die gekrümmte Haltung, die ich einnehmen musste, schmerzte meinen müden Knochen. Also schlürfte ich zum Futternapf, der wieder einmal mit Trockenfutter gefüllt war. Aber ich fraß es trotzdem. Ich war am verhungern. Völlig entkräftet lies ich mich in einer Ecke nieder und schlief sofort ein.

Das Spielchen mit der Leine wiederholte sich fast täglich. Ich weiß nicht wie lange das so weiter ging. Zwei Wochen? Drei Wochen? Irgendwann fing das Mädchen an, mir Mützchen anzuziehen, mich in kleine Autos zu stecken und mich in die Luft zu werfen. Aber in all dieser Zeit fehlte mir eins am meisten: Ein Artgenosse. Jemanden an den ich mich anschmiegen kann, wenn ich das Bedürfnis danach habe. Jemanden mit dem ich diese Tortouren überstehen kann. Jemanden mit dem ich gemeinsam hoppeln kann. Jemanden mit dem ich das Futter fressen kann. Jemanden der mich putzt und mit mir kuschelt.

Zwei Jahre saß ich alleine in diesem winzigen Käfig fest und musste mich dem Willen des Mädchens beugen. Aber in letzter Zeit fing sie an, das Interesse an mir zu verliehen und kam immer seltener. Einerseits freute ich mich darüber aber andererseits waren auch mein Futternapf und die Tränke leer und niemand kam, um sie aufzufüllen. In meinem Käfig häufte sich der Mist und ich hatte schreckliche Langeweile. Da man mich nicht mehr im Zimmer haben wollte, weil ich angeblich zu sehr stinke, bekam ich nun einen kleinen Stall draußen im Garten. Leider hatte ich dort dieselben Probleme wie vorher. Überall lag Kot und Urin, mein Futternapf blieb leer und die Tränke füllte sich nicht mehr. Aber niemand schien das zu bemerken, wie ich hier so elendig vor mich hin hungerte.

Aber eines Tages kam die Mutter des Mädchens und packte mich in einen Karton. Ich weiß noch wie mich das Geräusch meiner viel zu langen Nägel auf der Pappe erschreckt haben und wie meine ellenlangen Zähne schon aus dem Maul ragten. Die Frau fuhr mit mir ein Stück und hielt irgendwann abrubt an. Sie öffnete den Kofferraum und zu mir drangen wieder einmal fremde Geräusche und Gerüche. Sie ging mit mir zwei Schritte, dann kippte sie den Karton einfach aus und ich fiel zu Boden. Das letzte was ich von ihr sah war, wie sie mit dem Auto wieder weg fuhr.

Da saß ich nun allein und verlassen in einem Wald, ohne Futter, ohne Wasser und ohne Artgenossen. Die Nächte waren bitterkalt und alles war so unheimlich. Ab und zu schreckte ein Hund mich auf aber ich hatte mit der Zeit gelernt, wie man ihnen schnell entkommt. Aber Hunger und Durst brachten mich um den Verstand. Eine Woche hielt ich es im Wald aus. Dann lies ich mich irgendwann erschöpft hinter einen Busch fallen und schloss die Augen. Vor mir sah ich meine Schwester, wie sie mich liebevoll putzte und mir Wärme spendete. Ich klammerte mich an diesen schönen Gedanken und wollte ihn nie wieder los lassen, denn das war der schönste Moment in meinem Leben als Kinderspielzeug.

geschrieben von Laura W. (alias Laazim)